Lumbale Stenose 2025: Entscheidungen, Therapie, Rückkehr

Zusammenfassung

Die Lumbale Spinalkanalstenose ist eine Verengung, die die Nervenwurzeln komprimiert und eine neurogene Claudicatio verursacht (Schmerzen oder Schweregefühl beim Gehen, die sich im Sitzen bessern). Die meisten Patienten verbessern sich mit konservativen Maßnahmen; wenn die Einschränkung anhält, kann eine Dekompression (offen, mikrotubulär oder endoskopisch) helfen. Bei degenerativer Spondylolisthesis zeigen 5-Jahres-Daten, dass Dekompression ohne Fusion in vielen Fällen vergleichbare Ergebnisse wie eine zusätzliche Fusion erzielt. Im Jahr 2025 belegen Studien die Nicht-Unterlegenheit der endoskopischen gegenüber der mikroskopischen Dekompression bei ausgewählten Indikationen.

  • Leitsymptom: Beinschmerzen/Taubheitsgefühl beim Gehen, die sich im Sitzen bessern (neurogene Claudicatio).
  • Zuerst konservativ: angeleitetes Training, rationale Analgesie und in ausgewählten Fällen Infiltrationen.
  • Operation wann: anhaltende Schmerzen/Behinderung nach adäquater konservativer Therapie oder progredientes neurologisches Defizit.
  • Fusion: nicht automatisch; bei Spondylolisthesis Grad I reicht alleinige Dekompression oft aus.
  • Notfälle: Cauda-equina-Syndrom = sofort ins Krankenhaus.
  • Erholung: ohne Fusion aktive Lebensführung nach 2–6 Wochen; mit Fusion 8–12+ Wochen je nach Beruf und Begleiterkrankungen.

 

Was ist eine lumbale Stenose?

Die lumbale Spinalkanalstenose ist die Verengung des Spinalkanals oder der Recessus/Foramina durch degenerative Veränderungen (Bandscheiben, Facettengelenke, Ligamentum flavum), die den Raum für die Nervenwurzeln verringert und Schmerzen/Taubheitsgefühle verursacht, besonders im Stehen oder Gehen. Sie tritt häufiger ab dem Alter von 55–60 Jahren auf und kann mit einer leichten degenerativen Spondylolisthesis einhergehen.

 

Symptome und Warnzeichen

Typischer Befund

  • Schmerzen/Schweregefühl in Gesäß und Beinen, die sich beim Gehen verschlechtern und im Sitzen bessern oder beim Vorbeugen.
  • Kribbeln oder Schwäche beim Bergaufgehen oder langem Stehen.
  • Lendenschmerzen können auftreten, Hauptlimitierung ist jedoch die neurogene Claudicatio.

 

Red Flags (sofortige Abklärung/Einweisung)

  • Progrediente Muskelschwäche in einem oder beiden Beinen.
  • Cauda-equina-Syndrom (CES): Reithosenanästhesie, Harnverhalt oder Inkontinenz, deutliche Empfindungsstörungen im Genital-/Perianalbereich.
  • Fieber oder Tumoranamnese (Verdacht auf Infektion oder Metastasen).

 

Diagnose: welche Untersuchungen nötig sind (und welche nicht)

  • Anamnese und klinische Untersuchung leiten die Diagnose.
  • Lumbale MRT: Untersuchung der Wahl bei anhaltender Symptomatik oder unklarer Diagnose; nicht routinemäßig bei Kreuzschmerzen ohne neurologische Zeichen, außer wenn dies das Vorgehen beeinflusst.
  • Dynamische Röntgenaufnahmen: bei Verdacht auf Instabilität (z. B. Spondylolisthesis).
  • Elektrophysiologie: nützlich bei unklarer neurologischer Beteiligung oder Differenzialdiagnosen.

Praxis-Tipp: Der Schweregrad im MRT stimmt nicht immer mit den Symptomen überein. Behandeln Sie den Patienten, nicht nur das Bild.

 

Konservative Behandlung Schritt für Schritt

  1. Aufklärung + Bewegungstherapie (Flexions-, Ausdauer- und Kraftprogramme) und aktiv bleiben – Therapie der ersten Wahl.
  2. Medikamentös: Paracetamol/NSAR in kurzen Intervallen; keine chronische Opioidgabe.
  3. Epidurale/Facettengelenks-Infiltrationen: vorübergehende Linderung in ausgewählten Fällen; Risiko/Nutzen abwägen.
  4. MILD (perkutane Dekompression des Ligamentum flavum): minimalinvasive Alternative bei bestimmten Patienten, mit kurz- bis mittelfristigen Sicherheits-/Wirksamkeitsdaten; es fehlen große Langzeitstudien.

Ziel: Gehfähigkeit und Lebensqualität verbessern, OP möglichst aufschieben oder vermeiden.

 

Wann eine Operation erwogen werden sollte

  • Versagen einer korrekt durchgeführten konservativen Behandlung (≥6–12 Wochen) mit deutlicher funktioneller Einschränkung.
  • Fortschreitendes neurologisches Defizit.
  • Stark beeinträchtigte Lebensqualität durch Claudicatio trotz adäquater Maßnahmen.
  • Nicht allein aufgrund des MRT entscheiden: klinische Korrelation ist entscheidend.

 

Chirurgische Optionen: offen, mikrotubulär und endoskopisch

  • Offene Dekompression (Laminektomie/Laminotomie): klassischer Standard, wirksam; größere Gewebetraumatisierung.
  • Mikrotubuläre Dekompression: gleiches Prinzip mit kleineren Schnitten.
  • Endoskopische Dekompression (uniportal oder biportal): minimale Schnitte; Studien und Übersichtsarbeiten zeigen nicht unterlegene funktionelle Ergebnisse im Vergleich zur mikroskopischen Dekompression bei ausgewählten Patienten, mit weniger Blutverlust/Aufenthalt in mehreren Serien.

Grenzen: Lernkurve und sorgfältige Fallselektion.

 

Fusion: ja oder nein?

Bei degenerativer Spondylolisthesis Grad I mit Stenose zeigte die Studie NORDSTEN-DS (BMJ, 2024), dass alleinige Dekompression in Bezug auf Behinderung (ODI) und Revisionsraten nach 5 Jahren nicht unterlegen gegenüber Dekompression + Fusion ist. Dies bedeutet nicht, dass Fusion entfällt: Sie kann indiziert sein bei klarer Instabilität, vorherrschenden axial-mechanischen Schmerzen oder nachgewiesener Deformität/Progredienz.

 

Tatsächlicher Nutzen und Risiken

Erwarteter Nutzen

  • Verbesserung von Beinschmerzen und Gehfähigkeit (Hauptziel).
  • Frühe Entlassung bei minimalinvasiven/endoskopischen Techniken in ausgewählten Fällen.

 

Risiken

  • Durariss (≈1–9 %), Infektion, Thrombose, Hämatom, Reoperation wegen Rezidiv/adjazentem Segment.
  • Fusion: erhöhtes Risiko für Pseudarthrose, mehr Blutverlust und längerer Aufenthalt; keine systematische Überlegenheit bei DS Grad I.

 

Erholungszeiten und Rückkehr zur Arbeit

  • Dekompression ohne Fusion: leichte aktive Lebensführung nach 2–6 Wochen; Rückkehr zur Arbeit nach 4–8 Wochen (früher bei sitzender Tätigkeit).
  • Mit Fusion: Rückkehr zur Arbeit oft nach 8–12+ Wochen, abhängig von körperlicher Belastung und Verlauf.
  • Strukturierte Physiotherapie nach der OP beschleunigt Funktion und Lebensqualität.

Wichtig: Art der Arbeit (sitzend vs körperlich) und präoperativer Zustand beeinflussen die Rückkehr stärker als die OP-Technik selbst.

 

Wann in die Notaufnahme

  • CES (Reithosenanästhesie, Harnverhalt/Inkontinenz, deutliche Sensibilitätsstörung im Genital-/Perianalbereich).
  • Motorisches Defizit, das sich in Stunden–Tagen verschlechtert.
  • Fieber und unverhältnismäßige Schmerzen bei reduziertem Allgemeinzustand.

Leitlinien von AANS/NICE/ACR empfehlen eine dringende Abklärung (MRT und frühe Dekompression bei CES).

 

Mythen und Fakten

  • „Schweres MRT = sichere OP“. Nicht immer; klinische Korrelation hat Vorrang.
  • „Fusion verbessert immer das Ergebnis“. Nicht bei DS Grad I laut 5-Jahres-RCT.
  • „Endoskopie = immer besser“. Gleichwertig bei ausgewählten Indikationen; nicht jeder Fall ist geeignet.

 

Patienten-Checkliste

  • Verbessern sich meine Gehschmerzen im Sitzen?
  • Habe ich Training und rationale Analgesie mindestens 6–12 Wochen lang ausprobiert?
  • Habe ich ein progredientes Defizit oder Red Flags? (wenn ja → Notaufnahme)
  • Ist mein Fall für Dekompression ohne Fusion geeignet? (Stabilität prüfen)
  • Welche Technik (offen, mikro, endoskopisch) ist am besten geeignet und warum?
  • Wie sieht mein Reha- und Rückkehr-zur-Arbeit-Plan aus?

 

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Erfordert eine lumbale Stenose immer eine Operation?

Viele Patienten verbessern sich mit gut geplanter konservativer Therapie (Training, rationale Analgesie und ausgewählte Infiltrationen).

Wann ist eine Operation sinnvoll?

Nach ≥6–12 Wochen adäquater Behandlung ohne Funktionsverbesserung oder bei progredientem Defizit.

Ist eine Fusion zwingend erforderlich, wenn ich Spondylolisthesis habe?

Nicht unbedingt: bei Grad I kann alleinige Dekompression ausreichen (NORDSTEN-DS-Studie, 5 Jahre).

Ist endoskopische Chirurgie so wirksam wie offene/mikroskopische?

In ausgewählten Fällen zeigen RCTs und Metaanalysen Nicht-Unterlegenheit in der Funktion und oft weniger Blutverlust/Aufenthalt.

Wann sollte ich in die Notaufnahme gehen?

Bei Cauda-equina-Syndrom: Reithosenanästhesie, Harnverhalt/Inkontinenz oder sensible Störungen im Genital-/Perianalbereich.

Wie lange dauert es, bis ich wieder arbeiten kann?

Ohne Fusion 4–8 Wochen (früher bei sitzender Tätigkeit); mit Fusion 8–12+ Wochen.

Sind Infiltrationen hilfreich?

Sie können in ausgewählten Fällen vorübergehend helfen; sie beheben die anatomische Enge nicht.

Welche Risiken birgt die Operation?

Durariss, Infektion, Thrombose, Hämatom und mögliche Reoperation; mit Fusion erhöhtes Risiko für Pseudarthrose und mehr Blutverlust.

 

Glossar

Neurogene Claudicatio: Schmerzen/Schweregefühl in den Beinen beim Gehen durch Nervenwurzelkompression, Linderung im Sitzen.

  • Dekompression: OP zur Erweiterung des Wurzelraums (Laminektomie/Laminotomie).
  • Endoskopisch (uni-/biportal): Dekompression mit Endoskop über minimale Schnitte.
  • Degenerative Spondylolisthesis: Wirbelgleiten durch Arthrose.
  • Fusion: Fixierung zweier Wirbel mit Implantaten und Knochenersatz zur Segmentstabilisierung.
  • CES (Cauda-equina-Syndrom): Schwere Kompression terminaler Wurzeln; chirurgischer Notfall.